德国总统高克卸任前最后一次讲话 视频&字幕

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Als ich vor fast fünf Jahren das Amt des Bundespräsidenten übernahm, habe ich mich und meine Landsleute gefragt, wie es denn aussehen sollte, dieses Land, zu dem unsere Kinder und Enkel einmal " unser Land" sagen sollen. Und ich fand vieles, auf das wir aufbauen können und das mich dankbar und zuversichtlich für die Zukunft stimmt. In tausenden von Begegnungen habe ich in den Folgejahren auch die Kraft gespürt, die Energie, die Initiative, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes füreinander, für Demokratie, Freiheit und Fortschritt entwickeln. Und ich habe das Privileg gehabt, Deutschland mit den Augen von anderen zu sehen. Bei den zahlreichen Reisen ins Ausland habe ich den Respekt, manchmal sogar die Bewunderung erlebt, die unserem freien und stabilen Land entgegengebracht werden.

Ja: Wir leben in einer Republik, die persönliches Glück und Fortkommen ermöglicht und die Freiheit mit Chancengerechtigkeit und sozialem Ausgleich zu verbinden sucht. Das Recht ist nicht in der Hand der Macht. Verwaltungs- und Verfassungsgerichte garantieren, dass die Bürger ihre Rechte gegenüber dem Staat geltend machen können. Freie Gewerkschaften gestalten die Arbeitswelt mit, ebenso eine Unternehmerschaft, die weitestgehend eine gesellschaftliche Mitverantwortung akzeptiert und übernimmt. Soziale Marktwirtschaft, Kultur und die Künste können sich entfalten, freie Medien in großer Vielfalt beflügeln die Diskurse und fördern die Meinungsbildung. Und dann, besonders erfreulich: Eine starke Bürgergesellschaft aus Initiativen, Vereinen, Stiftungen, Nichtregierungsorganisationen und Ad-hoc-Gruppen nimmt Einfluss auf die Gestaltung der öffentlichen Dinge. Es ist, das glaubte ich damals und das glaube ich heute, das beste, das demokratischste Deutschland, das wir jemals hatten. Aber wenn ich an die nachfolgenden Generationen denke, dann wünsche ich mir den Mut, aktuellen Herausforderungen so zu begegnen, dass dieses Land so lebenswert bleibtam besten noch ohne einige der uns bekannten Mängel.

Nun, nach fast fünf Jahren bin ich stärker beeinflusst von dem Bewusstsein, dass diesem demokratischen und stabilen Deutschland auch Gefahren drohen. Und dass große Anstrengungen notwendig sein werden, um es für die Zukunft stark zu machen. Deshalb möchte ich heute nicht nur fragen: Wie soll es aussehen, unser Land? Ich möchte auch fragen: Was können wir unseren Kindern und Enkeln mitgeben, damit dieses friedliebende, freie und soziale Deutschland erhalten und entwickelt werden kann? Vor allem, mit welcher Haltung kann das gelingen?

Allein schon die kleine Auswahl von Schlagzeilen aus den vergangenen zwei Jahren, die wir soeben gesehen haben, erinnert uns daran: Die Welt steckt nicht nur voller Widersprüche. Es ist auch vieles anders gelaufen, als wir uns das vor einem guten Vierteljahrhundert vorgestellt hattendamals, als die Berliner Mauer fiel und wir den Traum von einem Europa der freien und liberalen Demokratien hegten. Ich erinnere mich noch gut an die allgemeine Euphorie, auch an meine eigene. Der Siegeszug des westlichen Gesellschaftsmodells galt als vorgezeichnet. Ein " neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit" , wie es die Charta von Paris zeichnete, erschien auch mir ein Selbstläufer zu sein, fast naturnotwendig.

Stattdessen sind wir uns in Europa heute weder alle einig, noch leben wir überall in Frieden. Die Bindekraft der Europäischen Union hat deutlich nachgelassen, Zweifel im Inneren werden auch von außen geschürt. Erstmals will sogar ein Staat die Union verlassen. Die Kriege im Nahen Osten und in der Ostukraine sowie die russische Besetzung der Krim haben die begrenzten Handlungsmöglichkeiten deutscher und europäischer Außenpolitik offenbart. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror ist gewachsen. Mit dem Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten stehen wir vor Herausforderungen für die völkerrechtsbasierte internationale Ordnung und die transatlantischen Beziehungen, besonders die Nato.

Die Erwartungen vom Ende der Geschichte haben sich also längst zerschlagenüberall, auch in Europa und Deutschland.

Das Ziel war die Freiheitnun fühlen sich einige in Freiheit bedroht oder gar verloren.

Das Ziel war ein Europa ohne Grenzennun erscheint einigen Offenheit als Bedrohung.

Das Ziel war ein vereinter Kontinentnun fürchten einige den Verlust von zu viel Souveränität.

In unseren Gesellschaften wachsen Bewegungen heran, die Gegenentwürfe präsentieren, aber keine kohärenten Programme. Doch ihre Denkrichtung offenbaren sie deutlich: Sie propagieren die Rückkehr ins Nationale, die Abwehr von Fremden und Freihandel. Sie ziehen kulturelle Geschlossenheit der Vielfalt vor und präsentieren Konkurrenzmodelle zur repräsentativen Demokratie. Sie erklären sich zum alleinigen Sprecher des Volkes und attackieren das sogenannte System. Sie stellen das europäische Projekt in Frage. Einige mischen antiamerikanische und antiwestliche Reflexe mit Sympathien für die autoritäre Herrschaft in Moskau.

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